Warum fühlt sich die Mafia in der Schweiz so wohl?
Kein griffiges Anti-Mafia-Gesetz, zudem zu wenig Wissen über die vielfältigen Aktivitäten der organisierten Kriminalität. Darum operieren italienische Clans in der Schweiz unter dem Radar.
In Italien macht man es der Mafia nicht leicht: Es gibt genug Gesetze, die dem organisierten Verbrechen ein Stück weit die Hände binden. Zum Beispiel dürfen die Behörden in Italien präventiv gegen verdächtige Personen vorgehen sowie ihr Vermögen beschlagnahmen, einziehen oder staatlich zwangsverwalten. Was speziell an diesen Massnahmen ist? Sie können allein aufgrund der blossen Gefährlichkeit einer Person ergriffen werden. Ausserdem sind sie unabhängig von der Begehung einer Straftat und der Eröffnung eines Strafverfahrens.
Der Italienische Mafiaparagraf 416 sieht schon für die Zugehörigkeit einer solchen Organisation bis zu 26 Jahre Haft vor. In der Schweiz kommt man für mafiöse Verbrechen für maximal fünf Jahre hinter Gitter. Die organisierte Kriminalität, vor allem italienischer Prägung, ist in der Schweiz tief verwurzelt, wenn auch kaum sichtbar. Dies beweisen zahlreiche Verhaftungen, die letzten gab es im Juli 2021 im Kanton Aargau und im Kanton Tessin auf Wunsch der kalabresischen Anti-Mafia-Direktion.
Der Schweizerische Ansatz zur Mafia-Bekämpfung ist unzureichend. Das sieht man daran, dass die Mafia traditionellerweise in den Grenzkantonen zu Italien und Deutschland agiert. Die zuständige Behörde jedoch hat ihren Sitz in Bern. Ein Beispiel dazu datiert aus dem Jahr 2014 aus Frauenfeld. Die Bundeskriminalpolizei filmte neun Mafiosi der kalabresischen ‘Ndrangheta bei einem Initiationsritus. Die Behörden jedoch beschränkten sich darauf, das Video an die Anti-Mafia-Einheit von Reggio Calabria (Italien) zu schicken und die Verhafteten auszuliefern. Es gibt keine Hinweise, dass in der Schweiz eine Strafuntersuchung stattfand, obwohl der lokalen Mafia-Organisation mindestens 18 Mitglieder angehörten und sie seit über 40 Jahren auf dem Territorium tätig war.
Im Moment ist es so, dass die Beweislage von den italienischen Untersuchungen abhängig ist. Da die Mafiosi auf Schweizer Territorium agieren (und somit auch straffällig werden), müsste man in der Lage sein, vor Ort Beweise zu sammeln und Untersuchungen zu starten. Man könnte hier das System von Italien benutzen: Die Geschäftszweige beobachten und analysieren, in denen sich mafiöse Aktivitäten entwickeln. In der Schweiz betrifft das vor allem die Gastronomie, das Baugewerbe sowie den Verkauf von Autos. Die Schweiz dient der Mafia auch als Umschlagplatz für Güter wie Waffen und Drogen. Die Drogen kommen zum Beispiel aus Italien und sind für den Schweizer Markt bestimmt. Die Waffen kommen aus Drittländern und gehen weiter nach Italien. Der Grund für das unzulängliche Vorgehen hierzulande sind unter anderem die fehlenden Ressourcen und Ermittler.